Hallo Tim, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei bobbie kurz vor:
Ich bin Tim Kuhlmann, Geschäftsführer des Baustoffhändlers bobbie, welcher von mir und Alexander Gran in 2017 gegründet wurde. Vor der Gründung habe ich lange Jahre in der Geschäftsleitung des mittelständischen Herstellers Godelmann gearbeitet und dort hautnah miterlebt, wie „diszipliniert“ die Digitalisierung des Baustoffhandels verhindert wird. Ich selber bin ein Kind des Baus, mein Großvater war schon Baustoffhändler und daher liegt mir der nötige Fortschritt der Branche sehr am Herzen. Das Potenzial eines effizienten Baustoffhandels ist enorm und daher musste ich mich dieser Herausforderung stellen. Um die technische Grundlage für meine Idee zu schaffen, habe ich damals Alex als IT-Experten und Mitgründer in Boot geholt. Zusammen mit Stephan Langkau, der unser operatives Geschäft verantwortet, bilden wir heute die Geschäftsführung von bobbie.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?
Mit bobbie modernisieren wir den Baustoffhandel in Deutschland und holen ihn ins digitale Zeitalter. Seit 2019 verkaufen wir deutschlandweit Baustoffe von mittlerweile über 200 Herstellern. Unser Ziel ist der bestmögliche Service für alle Profikunden, vom kleinen Handwerksunternehmen bis hin zu großen Immobilienprojekten. Durch eine exklusive Partnerschaft mit der BAMAKA AG, der größten Einkaufsgesellschaft für die Baubranche in Deutschland, sprechen wir neben unseren bestehenden Kunden auch über 115.000 weitere Bauunternehmen und Verarbeiter an.
Welches Problem wollt Ihr mit bobbie lösen ?
Der deutsche Baustoffhandel wird noch immer von klassischen und konservativen Strukturen dominiert. Intransparente Absprachen und komplizierte bürokratische Prozesse machen ihn langsam und unübersichtlich, Bestellungen werden häufig noch mit dem Fax getätigt. Gleichzeitig wächst eine neue Generation von Bauexperten und Unternehmen heran, die mit digitalem Service aufgewachsen ist und das auch im beruflichen Kontext erwartet. Bei uns finden sie, neben dem klassischen Handelsservice, moderne digitale Prozesse wie eine Frachtberechnung in Echtzeit, umfassende Baustoff-Informationen und eine professionelle digitale Abwicklung.
Wie ist die Idee zu bobbie entstanden ?
Ich habe selbst viele Jahre in der produzierenden Industrie gearbeitet und war dort zuletzt in der Geschäftsführung des Pflasterherstellers Godelmann tätig. Die analogen Prozesse und die intransparente Preisfindung im Handel haben mich dort immer gestört, ich habe mir gedacht, “man müsste mal einen ordentlichen Baustoffhandel gründen”. Mit Alex habe ich dann einen IT-Experten gefunden, der mit seinem Tech-Know-How mein Fachwissen zu Baumaterialien ergänzt hat. Schnell war uns klar, dass alle erforderlichen Technologien vorhanden sind, und viele Hersteller und Kunden auf eine digitale Veränderung warten. Wir wollen diese Veränderung sein.
Wie würdest Du Deiner Großmutter bobbie erklären ?
Mit bobbie verkaufen wir Baustoffe und Baumaterialien über digitale Kanäle zu fairen Preisen. Unsere größte Stärke ist dabei neben der einfachen und schnellen Abwicklung der persönliche Service, der unsere Kunden schon vor der Bestellung mit allen nötigen Informationen zum Produkt versorgt.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
Nein, überhaupt nicht. Lediglich beim Markt für Pflanzen mussten wir feststellen, dass er anderen Regeln folgt als der von Industrieprodukten.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?
Wir haben bei der Konstruktion des Geschäftsmodells bei null angefangen und erstmal nur den Kunden und seine Bedürfnisse betrachtet. Wir schauen uns den Einkauf aus seiner Perspektive an, und versuchen dabei seine möglichen Herausforderungen und Probleme durch unsere Dienstleistung zu lösen. Dabei sehen wir uns also als Dienstleister des Kunden und nicht als jemand, der versucht seine eigene Marge zu optimieren. Daher gibt es bei uns anders als bei unserem Wettbewerb auch keine Bonusvereinbarungen mit den Lieferanten: Die helfen dem Kunden nicht. Unsere Margen sind stattdessen transparent und allen bekannt.
Außerdem nutzen wir wo möglich und sinnvoll digitale Tools, so bieten wir die Kalkulation von Frachtkosten in Echtzeit und eine vollständig digitale Abwicklung der Prozesse. Das spart allen Beteiligten Geld, womit wir unsere schlanken Margen ermöglichen.
Auch um die Hersteller bemühen wir uns mit eigenen Standards und Lösungen. Besonders wichtig sind uns strenge Standards beim Product Information Management (PIM), das wir häufig auch für unsere Hersteller übernehmen. Über das gewöhnliche Angebot eines digitalen Händlers hinaus bieten wir den Herstellern fachliche und technologische Unterstützung, um alle relevanten Daten in die Plattform und in die angeschlossenen Prozesse des BIM (Building Information Modelling) einzugliedern.
Mithilfe detaillierter Informationen zu Qualität und Beschaffenheit eines Produktes liefern wir dem Kunden genau passende Produkte und ersparen aufwendige Nachfragen. Die Kontaktaufnahme mit uns ist dabei sehr unkompliziert – manche Kunden bestellen inzwischen per WhatsApp.
Wie genau hat sich bobbie seit der Gründung entwickelt ?
Von Anfang an war das Interesse an bobbie groß, die ersten Bestellungen haben wir eine Woche nach GoLive der Betaversion unseres Shops erhalten, ohne jegliche Vertriebsaktivität. Trotzdem war es am Anfang nicht so einfach, sich gegen die stationären Baustoffhändler durchzusetzen, die bei den Produzenten mächtig Druck gegen uns gemacht haben. Inzwischen ist auch ihnen klar: Die Branche muss sich erneuern und wir sind ein wesentlicher Bestandteil davon. Auch unsere Preistransparenz ist zunächst auf Irritation gestoßen, viele sind es gar nicht gewohnt ohne Sonderkonditionen und Boni zu arbeiten. Inzwischen konnten wir aber viele Lieferanten von unserem ehrlichen Konzept überzeugen; die Kunden fanden das Prinzip der fixen Margen sowieso immer hervorragend.
Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?
Wir sind mit unserer bisherigen Entwicklung sehr zufrieden, da sich unser Umsatz alle paar Monate verdoppelt. Auch über das schnelle Wachstum unseres Teams auf mittlerweile über 30 Mitarbeiter freuen wir uns sehr. Inzwischen liefern wir für Großbaustellen komplette Gewerke, z.b. neulich den kompletten Tiefbau des neuen Logistikzentrums eines sehr namhaften E-Commerce Unternehmens.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schiefgegangen ?
Wir haben etwas unterschätzt, wie viel Zeit man einplanen muss, um den richtigen Finanzierungspartner zu finden. Aufgrund unserer hohen Erwartungshaltung haben wir viel Kraft und Geduld gebraucht, bis die Finanzierung dann fest stand.
Was habt Ihr daraus gelernt ?
Für zukünftige Finanzierungsrunden möchten wir uns einfach mehr Zeit und Raum einplanen. Außerdem haben wir jetzt eine genauere Vorstellung davon, was unsere Partner mit an den Tisch bringen müssen, damit sowohl Mentalität als auch Arbeitsweise zueinander passen.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?
Ganz wichtig: Im fairen kunden- und herstellerzentrierten Geschäftsmodell. Das wird wirklich von allen als Gamechanger wahrgenommen. Außerdem haben wir wirklich ein paar sehr gute Leute an Bord geholt!
Wie ist Euer Startup finanziert ?
In der aktuellen Investitionsrunde haben wir mit der Bamaka AG, BRZ Deutschland und HG Commerciale drei starke Partner an unserer Seite, die nicht nur finanziell, sondern auch mit ihrer fachlichen Expertise extrem wertvoll für uns sind. Mit der Bamaka AG sind wir bereits durch die exklusive Partnerschaft verbunden, die BRZ Deutschland liefert als Spezialist für Organisationsprozesse und Bauinformatik super Verbindungen in die Branche und gibt uns neue Impulse für unsere digitale Weiterentwicklung. Die HG Commerciale ist als wichtigster Baustoffhändler der Schweiz dort schon in Sachen Digitalisierung führend und kann uns insbesondere für die Themen Herstellerkontakte und Handelsprozesse noch super viel Input geben.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?
Umsatz, Umsatz, Umsatz. Außerdem möchten wir bis Anfang 2022 mit der Digitalisierung in einigen Bereichen maßgeblich vorangekommen sein, in denen die Branche bisher gescheitert ist. Was das ist, wird noch nicht verraten.
Vielen Dank für das Interview.