Hallo Jannik, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei inContAlert kurz vor:
Mein Name ist Jannik Lockl, CEO bei inContAlert. Gemeinsam mit meinen Co-Foundern Tristan Zürl, Nicolas Ruhland und Pascal Fechner arbeite ich seit 2017 an inContAlert.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen?
Mit inContAlert entwickeln wir ein Sensorgerät zur Überwachung des Blasenfüllstands von Inkontinenzpatienten. Der via KI-Algorithmen ermittelte Blasenfüllstand wird auf einer App angezeigt, gleichzeitig warnt die App vor zu hohem Blasenfüllstand. Patienten mit neurologischer Blasenfunktionsstörung können auf Basis der Anzeige in der App ihre Blase rechtzeitig entleeren.
Welches Problem wollt Ihr mit inContAlert lösen?
Menschen mit einer neurologischer Blasenfunktionsstörung können ihre Blase nicht mehr oder nur noch in Teilen fühlen und kontrollieren. Diese Patienten entleeren sich auf Basis von Zeitintervallen, um sich vor unkontrolliertem Harnabgang oder der gesundheitsschädlichen Überdehnung der Blase zu schützen. Zu frühe Entleerungen verursachen einen unnötigen Verbrauch von Hilfsmitteln (Windeln und oftmals Katheter), zu spätes Katheterisieren birgt erhebliche gesundheitliche Risiken; von Harnwegsinfekten bis Niereninsuffizienz.
Die Sensortechnologie von inContAlert ermöglicht Patienten mit fehlendem Blasengefühl eine kontinuierliche (24/7) und komfortable Überwachung des Füllungsgrades der Harnblase. Dadurch können unnötige Entleerungsvorgänge vermieden und nicht benötigte Windeln/Katheter eingespart werden.
Wie ist die Idee zu inContAlert entstanden?
Jannik nahm 2017 an einem internationalen Business Plan Wettbewerb in Hong Kong teil, bei dem es um die technologische Weiterentwicklung medizinischer Hilfsmittel wie Einlagen oder Katheter ging. Jannik war dabei schnell der Ansicht, dass der Ansatz diese Hilfsmittel zu verbessern eigentlich der falsche sei. Stattdessen sollten die Patienten gar nicht erst in die Situation einer unkontrollierten Entleerung kommen und bereits frühzeitig gewarnt werden. So entstand die Idee für inContAlert. Seitdem arbeiten wir (Jannik, Pascal, Tristan, Nico) gemeinsam mit unserem Team an unserer Lösung.
Wie würdest Du Deiner Großmutter inContAlert erklären?
Eine Uhr trägt man, um nachzuschauen, wie viel Uhr es ist. Durch diese Information kann man seinen Tag planen und kann bspw. pünktlich zum Kaffeetrinken erscheinen. Inkontinenzpatienten tragen inContAlert aus dem gleichen Grund. Sie möchten einfach auf ihrem Handy nachschauen können, wie voll ihre Blase ist, um so dann ihren Tag besser planen und rechtzeitig eine Toilette aufsuchen zu können.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell?
Aktuell befinden wir uns mit inContAlert auf den letzten Metern der Zertifizierung als Medizinprodukt für den europäischen Markt. Dementsprechend sind wir allerdings noch nicht erhältlich und haben noch keine Vertriebsstrukturen.
Das System von inContAlert (Sensor, App, Analytics) soll in Zukunft in einem Mietmodell an Kliniken als auch direkt an Patienten vertrieben werden. Kliniken erhalten so die Sensorgeräte kostenlos und müssen anschließend eine Gebühr für die Nutzung der Software und laufende Analysen zahlen. Bei Entlassung der Patienten erhalten diese das Gerät von der Krankenkasse.
Wie genau hat sich inContAlert seit der Gründung organisatorisch entwickelt?
Zum Start 2017 waren Tristan und ich (Jannik) alleine. Mit unserer ersten Förderung 2019 wurden wir dann an der Universität Bayreuth eingebettet und konnten erste Werkstudierende anstellen – darunter Nicolas und Pascal. Beide sind dann 2020/21 in Vollzeit mit eingestiegen und haben das Gründerteam vervollständigt. Mit dem EXIST-Forschungstransfer Ende 2021 konnten wir dann ein richtiges kleines Team zusammenstellen und inContAlert auf die vier Säulen Business, Hardware, Software und Analytics stellen. Mit der Finanzierungsrunde 2023 kamen dann schließlich unsere Investoren als Gesellschafter on Board und helfen uns seither mit ihrem Netzwerk und ihrer Expertise. Mit diesem Setting haben wir das Startup auf sehr professionelle Beine gestellt und sind sehr zuversichtlich in den nächsten Jahren Erfolg zu haben!
Wie groß ist Euer Startup inzwischen?
Mittlerweile unterstützen uns vier Gründer noch zwei weitere Vollzeitkräfte sowie acht Studierende bei inContAlert. Da wir noch in der Entwicklungsphase stecken und unser Produkt aktuell noch nicht zugelassen ist, konnten wir bisher noch keine Umsätze erzielen. Zudem haben wir unsere sehr engagierten Board-Member Prof. Thomas Gottwald, Jörg Stein, Jakob Lilienweiss (HTGF), Mathias Matusek (Bayern Kapital) und Christian Leikert (Carma Fund), die uns tatkräftig bei strategischen und teils aber auch operativen Themen unterstützen.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wie vermutlich relativ viele Hardware-nahen Startups haben die benötigte Zeit für die Entwicklung und vor allem für Fehlersuche im Entwicklungsprozess unterschätzt.
Auch Finanzierungsprozesse kosten extrem viel Zeit (sei es ein Antrag oder eine richtige Finanzierungsrunde), weshalb man regelmäßig seine Roadmap überarbeiten muss, und Probleme hat seine Meilensteine einzuhalten.
Was habt Ihr daraus gelernt?
Wir haben mit der Zeit gelernt und verstanden, dass die Entwicklung und Zulassung eines Medizinprodukts sehr langwierig und zeitintensiv ist. Man sieht sich ständig neuen Herausforderungen gegenüber, die es zu überwinden gilt. Wir aber auch keine Fans davon sind schlicht den Zeitplan großzügiger und Meilensteine softer zu gestalten. Als Startup sollte man sich ruhig Druck auf den Kessel geben, das fördert die Pace und Effizienz. Wichtig ist dabei ständig flexibel zu bleiben und genügend Durchhaltevermögen mitzubringen, sodass man sich nicht zurückwerfen lässt und das Endziel nicht aus den Augen verliert.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben uns bereits schon jetzt ein großes Netzwerk an Klinikketten, Krankenkassen und Betroffenen aufgebaut, mit denen wir regelmäßig im Austausch stehen. Zudem konnten wir in einigen klinischen Studien bereits den Nutzen für Patienten und Versorgung durch inContAlert belegen und haben bereits zwei Patente für unsere Technologie. Wir haben uns von Anfang an für jegliche Förderungen, Accelerator-Programme und Wettbewerbe beworben und können somit schon einige Preisgelder und Auszeichnungen vorzeigen.
Wie ist Euer Startup finanziert?
Bis 05/2023 wurden wir durch den Medical Valley Award, sowie durch den EXIST Forschungstransfer I+II finanziert. Zusätzlich haben wir die Förderung Start?Zuschuss! vom Freistaat Bayern erhalten. Im September letzten Jahres konnten wir unsere erste Pre-Seed-Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen und werden seither durch namhafte Business Angels und institutionelle Investoren wie den HTGF, Bayern Kapital und Carma Fund unterstützt.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Wir möchten unser Produkt in den letzten Zügen weiterentwickeln und optimieren, sodass in den nächsten 12 Monaten die erste Version unseres Produktes für den europäischen Markt zugelassen ist. Daraufhin sind der erste Vertrieb und gesundheitsökonomische Studien geplant, die unser Produkt weiter vorantreiben sollen.
Vielen Dank für das Interview.
2 thoughts on “Das Bayreuther MedTech Startup inContAlert revolutioniert den Inkontinenz-Markt”