Hallo Thomas, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei Continua Systems kurz vor:
Hallo! Super, dass das hier geklappt hat bei BAYERN STARTUPS und vielen Dank für die Möglichkeit ein bisschen über uns zu erzählen. Mein Name ist Thomas Nagel und ich habe vor etwas mehr als zwei Jahren mit meinen Kollegen Marc Walker und Thomas Berendt die Continua Systems GmbH gegründet. Zurzeit sind wir in der Entwicklung noch zu dritt, haben aber tatkräftige Unterstützung im Marketing durch unsere Kollegin Franziska Fasold.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen?
Das Unternehmen ist von der fachlichen Ausrichtung aus meiner vorhergehenden Selbstständigkeit und motiviert durch unser aller Willen selbst etwas auf die Beine zu stellen 2022 gegründet worden. Ich komme aus der Intralogistik Automatisierung mit fahrerlosen Transportsystemen und da liegt einfach unglaublich viel Potential. Durch meine Kontakte in dem Bereich haben wir schnell Kunden gefunden, die wir nun durch Beratung und Support von Anlagen unterstützen. Anfangs saßen wir noch alle im HomeOffice aber seit Mai sind wir stolzes Mitglied im Digitalen Gründerzentrum Stellwerk18 in Rosenheim und haben dort unsere Büros bezogen. Wir arbeiten hart an unserem ersten Produkt Automation Insights mit dem wir die Effizienz und den Support von Automatisierungstechnik in der Intralogistik auf ein neues Level heben wollen. Das Produkt stellen wir im kommenden März auf der Internationalen Fachmesse LogiMAT in Stuttgart das erste Mal vor.
Welches Problem wollt Ihr mit Continua Systems lösen?
Dazu muss ich kurz ausholen, ich hoffe das sprengt nicht den Rahmen.
Wir machen seit Anfang an Second Level Support für eine große Flotte von fahrerlosen Transportsystemen bei Audi. Reaktionszeit an der Telefon-Hotline: 10 Minuten, 18 Stunden am Tag, Montag bis Freitag. Wenn das Telefon klingelt, gilt es innerhalb von Minuten herauszufinden, was der Fehler ist, sonst droht unter sehr wahrscheinlichen Umständen ein Bandstillstand in der Produktion. Das wäre fatal. Oft lautet die Information des Mitarbeiters vor Ort: „Das System steht, ich glaube, dass….“ Leider sind diese Systeme zu komplex, als dass einem Glauben hier weiterhilft. Daher muss sofort eine erste Einschätzung erfolgen an welcher Stelle es sich zu Suchen lohnt und welche der hunderten Log-Dateien man zu welchem Zeitpunkt durchsuchen muss. Das erfordert nicht nur Expertise über das System, sondern auch theoretisch sehr einfache Dinge wie: Wann ist der Fehler aufgetreten? Seit wann steht das System? Welche Komponente war zuerst betroffen? Die Antworten hierauf sind leider in der Regel nicht vorhanden oder führen oft in die falsche Richtung, weil jeder ein komplexes System anders versteht und interpretiert. In zahlreichen Situationen mit Kopfzerbrechen haben wir uns immer Tools gewünscht, die einem das Leben leichter machen. Zum Beispiel eine Art Zeitmaschine, mit der ich das System im Playback nochmal abspielen kann. Zurückspulen und schauen was passiert ist. Das wäre doch was! Wenn mir das Tool dann auch noch die passenden Log Einträge der verschiedenen Komponenten passend zu dem historischen Systemzustand anzeigt… Traumvorstellung. Wir wollten nicht, dass das ein Traum bleibt. Also haben wir angefangen AutomationInsights zu entwickeln. Man kann sich vorstellen, dass man für so eine Zeitreise viele Daten sammeln muss. Sehr viele Daten, die in hoher Frequenz kommen. Normalerweise ist das was, was man in verteilte Systeme „in die Cloud bläst“. Wir wissen aber, dass viele unserer Kunden eine „On-Premis Lösung“, also eine Lösung vor Ort in ihrem Rechenzentrum bevorzugen. Das haben wir sehr elegant und technisch anspruchsvoll gelöst, so dass sich Speicherplatz und benötigte Rechenpower in Grenzen hält. Und was ist naheliegend, wenn man viele Daten hat? Klar: Auswertungen, also KPIs, die wirklich Sinn machen, weil wir Messpunkte betrachten können, die (Steuerungs-)Systeme gar nicht erfassen. Nicht weil die schlecht sind, sondern weil es ganz einfach nicht deren Kernkompetenz ist. Und das muss es auch nicht. Anlagenbetreiber wollen, dass ihre Anlage stabil läuft und Hersteller wollen, dass ihre Anlage schnellstmöglich in Betrieb genommen und per Abnahmeprüfung an den Kunden übergehen. Da bleibt, aus eigener Erfahrung, viel Potential und Effizienz auf der Strecke, weil man vieles erst im späteren Betrieb versteht. Durch unsere AITimeMachine und AIMetrics sind Betreiber von Automatisierungstechnik in der Lage ihre Anlagen konstant zu überwachen, zu messen und Störungen schnell zu beheben.
Wie ist die Idee zu Continua Systems entstanden?
Ich habe lange Jahre bei serva transport systems, einem damaligen Hersteller für fahrerlose Transportsysteme, gearbeitet und dort von der Pike auf alles mitbekommen und aufgebaut. Der damalige Kundenstamm waren Hochkaräter aus der Automobilindustrie wie Audi und Porsche. Als serva dann aufgrund einiger unglücklicher Fügungen die Pforten geschlossen hat, waren da immer noch einige Anlagen in Automobilproduktionen aktiv und ich habe beschlossen die Weiterentwicklung und den Support dieser Anlagen in Selbständigkeit weiterzuführen. Das hat nicht lange gedauert, bis ich realisiert habe, dass ich das zum einen nicht mehr allein schaffe und zum anderen wahnsinniges Potential im Thema Intralogistikautomatisierung steckt. Marc und Thomas kenne ich noch aus dem Studium an der TH Rosenheim. Während des Studiums habe ich zusammen mit Marc alle möglichen Vorlesungen zum Thema Unternehmensgründung belegt. Nach dem Studium sind wir jedoch alle in unterschiedlichen Bereichen in die “Lehre” gegangen. Bei regelmäßigen Treffen haben wir immer davon geträumt etwas Nachhaltiges aufbauen zu wollen und aus der klassischen Rolle des Angestellten auszubrechen. Also ist die – irgendwie schon immer da gewesene – Idee ein Unternehmen zu gründen immer konkreter geworden. Irgendwann haben wir dann gesagt jetzt „mach mas einfach“. Wir haben den Support und Weiterentwicklung an fahrerlosen Transportsystemen ausgebaut und schnell erkannt, dass wir AutomationInsights entwickeln müssen. Weil wir es selbst brauchen und absolut davon überzeugt sind, dass Betreiber von Automatisierungstechnik das auch so sehen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Continua Systems erklären?
Oha, da muss ich kurz überlegen. Mein Opa war Arzt, also wusste meine Oma sehr gut Bescheid, dass man bei Patienten regelmäßig gewisse Werte checken muss, um zu wissen, ob es ihm gleichbleibend, besser oder schlechter geht. Diese Checke sind Basis von Diagnosen. Genauso wie medizinische Daten, Sammeln wir Daten (wie ein Langzeit-EKG, falls es das damals schon gab), um Automatisierungstechnik zu analysieren und letztendlich Diagnosen zu machen, die man dann wiederum behandeln kann.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Nicht wirklich, es kommen nur immer neue und tollere Dinge dazu, die wir haben (entwickeln) wollen.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell?
Wir unterstützen Kunden im Betrieb und der Entwicklung von Automatisierungstechnik, hauptsächlich im Bereich Fahrerlose Transportsysteme. Dafür werden wir bezahlt und können nebenher AutomationInsights entwickeln. Wenn wir damit kommendes Jahr an den Start gehen, werden wir damit auch Geld verdienen. Analyse aus unserer Software dient wiederum als Basis für Optimierungen, die wir dann auch als Dienstleistung anbieten.
Wie genau hat sich Continua Systems seit der Gründung entwickelt?
Wir haben durch den Support und durch die Beratung immer mehr verstanden, welche Probleme wir lösen müssen. Das ist ein stetiger Prozess und wertvolle Erfahrung, von der in Zukunft alle unsere Kunden profitieren werden.
Wie groß ist Euer Startup inzwischen?
Wir sind aktuell zu viert, wollen aber bald weitere Softwareentwickler einstellen.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Naja, so richtig schief gegangen wäre vielleicht übertrieben, aber ein Kunde kam mal auf uns zu und hat gefragt, ob wir ihm ein recht simples, günstiges Messinstrument für spezielle Batterien bauen können mit dem man Ladestände von lagernden Batterien auf einen Blick sieht und bewerten kann. Wir haben eine Platine designt, Bauteile ausgesucht, ein Prototyp gebaut und der Kunde war begeistert. Als dann die Bestellung über einige dieser Geräte kam, stand in den Einkaufsbedingungen, was völlig normal ist, dass die Geräte eine CE-Zertifizierung haben müssen. Daran hatten wir zwar anfangs mal gedacht, bei der Auswahl der Bauteile ist uns jedoch ein Fehler unterlaufen und wir haben ein Bauteil eingesetzt, dass nicht CE-konform ist. Somit hätten wir das gesamte Produkt selbst CE zertifizieren lassen müssen, was durch mangelnde Erfahrung unsererseits und mit Hohen Kosten ein echtes No-Go war. Wir mussten den Auftrag dann leider ablehnen, nachdem wir doch einiges an Zeit und Geld in den Prototypen investiert hatten.
Was habt Ihr daraus gelernt?
Jetzt kann man sagen: Schuster, bleib bei deinem Leisten.
Wir sind Softwareentwickler und Hardware selbst designen und bauen ist dann im kommerziellen Stil doch etwas, wo wir uns zumindest einmal durch einen Profi hätten beraten lassen sollen. Und das Schlimme ist, wir kennen genügend Leute, die uns wahrscheinlich sofort auf fehlende CE hingewiesen hätten. Also: Ego beiseite und unternehmerisch denken.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Das ist vielleicht noch etwas früh zu sagen. Was ich aber Stand jetzt sagen kann: Wir haben alles richtig gemacht die Continua Systems zu gründen.
Wie ist Euer Startup finanziert?
Vollständig durch die Dienstleistung in Beratung und Support, die wir erbringen.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Wir konzentrieren uns voll darauf AutomationInsight erfolgreich an den Start zu bringen und bei Pilotkunden einzusetzen. Da sind wir auch schon in sehr konkreten Gesprächen, aber mehr darf ich dazu noch nicht sagen. Meilensteine sind die Einführung Im März 2025 auf der LogiMAT, Setup beim Pilotkunden in Q2/2025 und dann bis Ende des Jahres Weiterentwicklung und Vermarktung.
Vielen Dank für das Interview.